Die Nachbereitung des Fluges ist meistens genauso lehrreich
wie der Flug selbst und das geschriebene Wort ist fester im Kopf
verankert als das gesprochene - deshalb halte ich das ganze mal in
Schriftform fest:
Der Wecker klingelt um 8 - und ich bin schon
eine Stunde wach. Die Kälte der Nacht sitzt mir mindestens genauso in
den Knochen wie die vorangegangenen 5 Flugtage am Stück. Aber was
soll`s, ich bin zum Fliegen hier in Eichstätt, wo sich der Bayerische
D-Kader zum alljährlichen Trainingslager trifft. Ich krieche aus dem
Zelt und klopfe meine Freunde Felix und Max aus dem VW-Bus und Zelt um
vor dem Frühstück die Flieger fertig zu machen. Es kommt nicht so recht
Schwung in die Aktion, den anderen beiden geht es ähnlich wie mir und es
herrscht angespannte Stimmung am Hängerplatz, weil ein Platz im Arcus
frei ist - und jeder will selber fliegen. Wir beschließen, uns von den
Diskussionen zu distanzieren und bauen Felix` LS8, Max` Discus 2c und
meinen Standard-Cirrus auf. Die Standard- und 18m-Flieger machen die
Flächen teils (rand)voll Wasser und schieben an den Start, ich hingegen
kann kein Wasser tanken und gehe erstmal Frühstücken. Mein Flugzeug ist
noch recht dreckig von der Außenlandung des Vortages am Fuße des
Flugplatzes (der 120m über der Stadt Eichstätt auf der fränkischen Alb
liegt) und ich mache erstmal die Erde und die vielen Mücken weg. Um 10
ist Briefing und Claus Triebel verkündet die erwartete und gute
Wettersituation. Nachdem die Vortage eher vom Föhn und einer trockenen
Luftmasse aus Süden geprägt waren, hat sich am Tag zuvor eine neue
Luftmasse eingemischt, die heute im Vergleich zum Vortag, wo die Feuchte
in der Höhe leider an der Inversion breitlief, deutlich abtrocknete und
somit ein homogeneres Wetter zuließ. Nach 4 Trainingstagen mit teils
kleinen aber anstrengenden Flügen in schwieirgem Wetter wollen wir heute
mal größer Fliegen. Der Wunsch, eine gute Wetterlage auch für die DMST
nutzen zu können wird von den Trainern erhört und so schreibt Christian
Maex eine 520km-Task mit den Wenden Gerstetten, Coburg und
Bruck/Nittenau aus. Für die schweren und leistungsstärkeren Flugzeuge
wird die Wende Coburg alternativ (und je nach Wettersituation im Norden)
durch die Wende Suhl in Thüringen ersetzt. Die große Strecke ist knapp
600km lang und scheint für die meisten zu groß, zumal wir erst gegen
halb 12 in die Luft kommen würden. Ich träume schon von der großen
Strecke, die wird mir allerdings im Briefing wieder ausgeredet, denn ich
würde ja Clubklasse fliegen, das wäre zu viel... Im Seeyou ist also
erstmal die kleine Strecke um Coburg programmiert und ich mache die "7R"
mit Brezen, Apfelschorle und ein paar im Grid zusammengesammelten
Pisstüten startbereit. Ich bin Nummer 6 in der Startreihenfolge und
komme um 11:30 lokal in die Luft. In 1100m NN ist das Seil raus und ich
mache mich zusammen mit 77 (Flo Hafner) und SP (Claus) in einem 2m-Bart
an die Basis, die bei knapp 1700m liegt. Wir fliegen um 11:38 sofort ab
und erwischen eine super Linie Richtung Gerstetten, wo wir auf 90 km nur
3 mal Kurbeln müssen und bei Gegenwind mit einem 96er Schnitt
vorankommen. Kurz vor der Wende merke ich mir einen 2m-Bart genau am
Nordrand des Flugplatzes Giengen/Brenz und drehe in Gerstetten recht
tief um, um eben diesen Bart wieder kurbeln zu können (Gegenwindwende).
Ab hier verliere ich die beiden anderen, die sich zwischen Gerstetten
und Rieskante bei Bopfingen verbasteln und Pech haben, da sie eine
optisch gute Wolke anfliegen, die garnicht zieht. Ich habe mir in
besagtem Bart ein so komfortables Polster erkurbelt, dass ich diverse
mäßige Bärte stehen lassen kann und bei Bopfingen, wo die anderen in
400m über Grund kämpfen müssen, einen 2,5m-Bart bis oben hin auskurbeln
kann. Ich gehe bewusst wieder an die Basis (auch wenn das Steigen oben
schlechter wurde), da das Ries nicht wirklich gut aussieht und nach
Westen hin keine Cumuli mehr zu sehen sind. Zwischen Ellwangen und
Giebelstadt finde ich teils im Blauen, teils unter einzelnen Fetzen 3
mal jeweils 2-2,5m und gehe jeweils immer bis oben ran, da ich
befürchte, bis hinter Ansbach keine Thermik mehr finden zu können und in
Illesheim Flugbetrieb ist, wo ich dann keinesfalls in den Luftraum
fallen darf. Kurz westlich Illesheim bildet sich ein kleiner Flusen, der
zwar abbaut, allerdings die einzige markierte Aufwindstelle darstellt.
Hier mache ich nochmals 800m gut und nutze die Zeit, mal bei Seckendorf
nachzufragen, ob denn die Segelflugsektoren westlich Nürnberg aktiv
sind. Leider geht keiner ran und ich habe natürlich keine Lust, bei über
2000m Basis von dem Nürnberger Deckel (1676m) kastriert zu werden. Es
geht also westlich an den Sektoren vorbei, obwohl im Osten Richtung
Steigerwald eine Bilderbuchoptik vorzufinden wäre. Durch die guten Bärte
im Blauen kurz vorher bin ich aber trotzdem keineswegs skeptisch und
kann wieder gute Bärte finden, die teils nicht gezeichnet sind. Endlich
an Nürnberg vorbei kann ich einen deutlichen Ostschlenker Richtung
Bamberg fliegen, wo die Cumuli schön strukturiert und regelmäßig stehen.
Ich nehme hier viel im Geradeausflug mit und versuche tragende Linien
zu finden, was mir nicht ganz so gut gelingt. Kurz vor Coburg drehe ich
im Seeyou mal Suhl als Alternativwende rein und sehe, dass es nur knapp
40km einfach zu fliegen wären, also 80km Mehrstrecke. ich überlege
länger und habe dazu auch genug Zeit, denn ich bin zwischenzeitlich
wieder recht weit runtergeflogen und kurble in einem nur mäßigen 1,5er
Bart westlich von Coburg bis auf ein komfortables Niveau. Dass ich dort
bis auf 1000m NN unten war hat auch eine positive Seite, denn ich kann
die Wetteroptik bis weit nach Norden beurteilen und entschließe mich,
also doch erst in Suhl zu wenden. Vor dem Sprung zum Thüringer gehe ich
nochmal bis ganz an die Basis, um im ansteigenden Gelände keine
Schwierigkeiten zu bekommen und nicht im Relief rumfliegen zu müssen.
Das war zwar nicht unbedingt nötig, da auf Kurs viele gute Bärte
standen, aber ich bin hier gut 250km von der Heimat weg und fliege
lieber ein ganz wenig langsamer und vorsichtiger, um auch ja kein
Absaufrisiko einzugehen. Kurz vor Suhl nimmt der Bedeckungsgrad zu und
man sieht von Norden her deutlich das heranziehende Schlechtwetter.
Die
Wende ist trotz 7/8 kein Problem und ich bin um 15:10 lokal wieder
unterwegs nach Südosten, wo ich Bruck/Nittenau also nächsten Punkt
anvisiere. Ich fliege immer mit 140-160 km/h vor, da die Thermikgüte gut
ist und der MCready entsprechend hoch. Ich kann immer wieder Bärte über
2m kurbeln und bin ratzfatz über dem Bayreuther Flugplatz, wo ich
nochmal einen Safety-1,5er mitnehme.Die Höhe tut gut, denn so kann ich
direkt zu den guten Wolken nordwestlich Weiden springen und muss keine
Umwege nach Osten einbauen, wo zwar höhere Cumulidichte vorherrscht,
allerdings weniger schöne Konturen vorzufinden sind. Ich halte direkt
auf Grafenwöhr zu, wo ich den absolut schönsten und rundesten Bart des
Tages am Nordosteck des Luftraums mitnehme. Dieser Bart ist dann der
ausschlaggebende Faktor wo ich überlege, wie es jetzt weitergeht. Die
anvisierte Wende und der anschließende Heimflug nach Eichstätt sind die
100% sichere 600km-FAI Lösung. Ich schaue nochmal auf die Uhr (17:00
lokal) und fange das rechnen an. Ich drehe mal den Arber rein, mal
Arnbruck Flugplatz, mal Cham und überlege länger. Die Basis im Bayerwald
fällt zwar um 100m ab, allerdings sind die Hänge durch die
tieferstehende Sonne fast senkrecht angestrahlt und versprechen super
Thermik. Ich frage Claus, der schon wieder fast in Eichstätt ist (ASG 29
mit Wasser), wie er die Thermikdauer einschätzt und was er zu meinem
Vorhaben sagt. Seine Antwort war klar: Thermikende gegen 19:00, im Osten
sieht es gut aus und "du bist ja fast im Gleitbereich zum Platz".
Naja...ASG 29 und so..
Ich rechne mir aus, dass ich so weit fliegen kann, dass ich um 19:00
bei Kehlheim bin und dort den letzten Bart auskurble, der mich dann kurz
vor Thermikende an die Basis bringt und ich mit tragenden Linien die
gut 70km dann geradeaus fliegen können sollte. Also ist der Neue Plan:
Ich fliege bis 18:00 in den Bayerwald möglichst weit in den Osten bis ca
km 140 auf Eichstätt und drehe dann um, um in der verbleibenden Stunde
die gut 70-80km nach Kehlheim zu schaffen, wo dann hoffentlich der
letzte Bart des Tages auf mich wartet. Also rein in den Bayerwald und
vollgas Richtung Südosten. Kurz vor dem Flugplatz Arnbruck an den ersten
ausgeprägten Südwesthängen nehme ich einen ruppigen 1,5er Bart gegen
17:35 Lokal von 1300m bis 2100m mit und fliege an einer leicht
breitgelaufenen Wolke in leicht vermindertem Sinken bis ca 4km vor den
Arber, wo ich um 17:50 wende. Ich fliege auf dem Rückweg den gleichen
Bart nochmal an und kurble diesmal auf 2300m. Ich sage mir immer wieder:
"Robert, es ist jetzt kurz nach 6, du musst ab jetzt hochbleiben und
langsamer vorfliegen". Das gelingt mir nur bedingt, denn sobald ich aus
den Bergen raus bin nimmt die Thermikgüte stark ab und die Wolkenfetzen
werden unzuverlässiger. Ein Meterle südlich des Chamer Beckens schenkt
mir nochmal 350m und ich halte auf die letzte gute Wolke zwischen
Regensburg und Nittenau zu. Ich würde gerne höher bleiben, doch bis kurz
vor Regensburg kommt wirklich garnichts. 1000m abgleiten und ein Blick
auf die Uhr stimmen mich wirklich skeptisch, gedanklich Überlege ich mir
die Alternativen und ziehe den Flugplatz Oberhinkofen als beste
Außenlandemöglichkeit in Betracht, da es dort Bier gibt und die
Autobahnanbindung über die Bundesstraße und die A93 am besten ist. Doch
als ich überlege sehe ich auf einmal mein Flarm aufblinken und ich drehe
mich um. Da kommen Wolfgang Köckeis und Andreas Wissman in ihrem Nimbus
4DM "4D" aus meinem Heimatverein Stillberghof angeschossen, überfliegen
mich 300m höher und markieren 10km vor mir einen Bart. Ich steige in
gut 1200m ein und wir finden unter der breiten Wolke mit viel
nachzentrieren nochmal ca 1,3m, die mich auf 2200m NN heben. Über
Regensburg ist nun der letzte Wolkenfetzen der Industrie- und
Stadtthermik und ich bemerke, dass ich durch die 25 Minuten kurbeln eben
gerade ziemlich weit in meinem Zeitplan zurückgeworfen wurde. Das war
jetzt auch mein Endanflugbart, den 10km- Umweg zum Altmühltal bei
Kehlheim spare ich mir, da ich um 19:15 dort keine Thermik mehr erwarte
und der Direktkurs mich natürlich näher an den Flugplatz bringt. Es
folgt eine lange lange Gleitstrecke auf Eichstätt zu. Seeyou verrät mir,
dass ich ca 1000m unter Gleitpfad bin und so drehe ich den MCready von
1,5 auf 0 runter, um mit die theoretischen Möglichkeiten des Heimkommens
auszumalen. Ich bin trotzdem noch 550m unter Gleitwinkel und fliege
geradezu auf Kurs weiter, da die Waldgebiete unter mir vielleicht noch
ihre Restenergie ausspucken. Nordwestlich Kehlheim kommen um 19:20
nochmal 0,2m, die ich komplett auslutsche und dadurch 180m gewinnen
kann. Durch das Kurbeln habe ich nun endlich wieder eine genaue
Windanzeige und bin froh, dass der Gegenwind nurnoch 4km/h beträgt, was
meinen Gleitwinkel streckt und mein Arrival auf nun 300m schrumpfen
lässt. Neben der A9 zwischen Stammham und Denkendorf kommen nochmal
extrem zähe 0,1m aus einem kleinen Waldbuckel mit Ministeinbruch und ich
kann nochmal 80m steigen. Nun keimt die Hoffnung auf, ich habe nurnoch
-100m auf Eichstätt und brache nurnoch einen Hauch Thermik um
heimzukommen. Es ist jetzt 19:40 und vor mir schiebt sich die 8/8
Abschirmung der aufziehenden Front vor die Sonne. Ich hoffe, dass der
dadurch entstehende Kaltluftkeil die letzten Reste der Wärme aus den
Wäldern löst und mir somit die letzten 100m schenkt. Mein Flugweg
orientiert sich nun nurnoch am Relief. Ich springe über die
Hochspannungsleitung, die über den Waldbuckel von Ingolstadt ins
Altmühltal läuft und folge dem Nordwesthang genau auf Eichstätt zu. Hier
trägt es nichtmehr, ich habe aber noch -40m. Nach Querung des Tals auf
die Nordseite bin ich schon auf Höhe der ersten Geschäfte und auch hier
trägt es nicht. Die Entscheidung zur Außenlandung sitzt jetzt in 120m,
also quere ich nochmals nach Süden, fliege ganz nah an den Flugplatz um
das FAI vielleicht doch noch schließen zu können und gehen ins Endteil
auf einen Acker genau an der Straße.
Das Rad rollt um 19:55 lokal und ich mache den Flieger fertig, da Felix
und Max schon über den Funk bescheidwussten und ins Tal losgefahren
sind. Ein recht großer Stein hat beim Flächeablegen meine linke
Nasenleiste im Außenflügelbereich leicht beschädigt was mich ziemlich
ärgert, aber als ich dann am Flugplatz meinen Flug beim Fassbier des
Abschlussabends hochlade, ist der Ärger vergessen und ich freue mich
nurnoch. 698,7km FAI-Dreieck geschlossen und 710,1 OLC-km. Von genau
dieser Strecke habe ich seit 3 Jahren geträumt, jetzt wurde es wahr.
Ein paar Punkte Gedanken noch zum Flug, die das theoretisch Mögliche an einem Tag mit gleicher Wetterlage ausmalen:
-Tuning wie Mückenputzer, Querruderendscheiben, gute Abdichtung usw bringen sicher noch ein paar Prozent = km
-Starten konnte man um 10, was einige an diesem Tag in der Region auch mit Erfolg getan haben. 1:35 Vorsprung sind viele km.
-Ich
habe ca 35h auf meinem Cirrus, den ich erst seit Oktober besitze und
nun die erste Saison bewege. Mit einem 100% verinnerlichten Flugzeug
lässt sich auch noch viel rausholen.
-Die Sonnenscheindauer ist
im Mai noch nicht ganz so hoch, an Tagen im Juni bei gleicher Luftmasse
kann man den Flugdauer sicher noch um eine halbe Stunde strecken.
-Das
wichtigste, was ich bei diesem Flug gelernt habe: Keine Grenzen im Kopf
setzen und setzen lassen, sondern einfach fliegen und sich an dem
theoretisch möglichen orientieren, das einem gegeben wird. Das eröffnet
Horizonte.
Fazit: Ich mag zwar das gerede nicht: "Wäre ich in dem
und dem Flieger gesessen, hätte mich dies und das nicht gestört, wäre
mein Profil nicht so mückenempfindlich und hätte meine Frau nicht um 8
Essen gekocht, dann..."
Aber: Unter Berücksichtigung der oben
genannten Punkte ist es denkbar, mit dem Cirrus auch ein >800km FAI
zu planen und zu fliegen. Wann ist wieder Wetter...